So habe ich mein Korsett in Gesellschaft und Partnerschaft integriert

Kategorie:
Autor/in: Patrick

Inhalt

Einleitung

Obwohl Patrick kein Skoliose Betroffener ist, trägt er ein Korsett. Sein offener Umgang damit hat mich mehr als nur beeindruckt. Möchtest du wissen, wie Patrick vorgegangen ist, um sein Korsett sowohl in der Gesellschaft, als auch in seiner Beziehung zu integrieren? Viel Spaß beim Lesen und vielleicht kannst du dir ja eine Portion Motivation und Offenheit mit auf deinen eigenen Weg nehmen!

Alles Liebe,

Conny

 

Patricks Geschichte

Hallo zusammen, ich bin Patrick und trage mein Korsett aufgrund von Schmerzen, die durch ein eher leicht ausgeprägtes Morbus Bechterew Syndrom verursacht werden, welches sich glücklicherweise stabil zeigt. Der Ursprung meiner Reise, die zum Tragen des Korsetts geführt hat, beginnt bereits in meiner Jugend. Immer wieder musste ich hören: “Kind, setz dich gerade an den Tisch, deine Haltung ist schlecht!” Meine Schultern und mein Nacken waren sehr nach vorne geneigt. Die eigentliche Ursache wurde damals leider nie gesucht, lässt sich aber heute durch die Diagnose erklären.

Als Jugendlicher sollte ich aufgrund dieser Haltungsprobleme einen Geradehalter tragen. Dieses “Gschtältli” habe ich jedoch kaum angezogen oder habe es verweigert. Viele Jahre konnte ich, was die Schmerzen anbelangt, umgehen – manuelle Therapie und Fitnesstraining helfen heute wie früher. Doch gerade an kühlen Tagen, wenn ich mich draußen bewege, sind die Schmerzen unerträglich.

Obwohl offensichtlich keine neurologischen Schädigungen vorliegen, kam leider dazu, dass es zu Blasenfunktionsstörungen und auch zu Problemen im Bezug zur Sexualität kam. Mehr dazu später im Beitrag. Nach unzähligen Therapien kam der notwendige Schritt, nämlich die Implantation eines Neuro-Schrittmachers, mit dem ich heute sehr gut zurechtkomme.

Besorgt darüber, dass meine Haltung sich verschlechtern würde, habe ich mich für ein Korsett entschieden. Seitdem ich dieses trage, haben sich die Schmerzen massiv reduziert und obendrein komme ich nahezu ohne Medikamente aus. Dies allein ist bereits dem positiven Effekt des Korsetts zuzuschreiben. Meine Haltung hat sich, auch wenn ich ohne Korsett stehe, auffällig verbessert. Äußerlich sieht man meinen Haltungsfehler kaum noch, was sich auch positiv auf meine Gefühlslage auswirkt! Ich finde mich in einem völlig neuen Körpergefühl wieder.

 

Die Tragezeit

Die Tragezeit ist für mich ein elementares Thema. Im Gegensatz zu Skoliose-Betroffenen im Jugendalter bin ich jedoch nicht angewiesen auf eine möglichst lange, kontinuierliche Tragezeit. Aber auch ich musste lernen, mein Ideal zu finden.

Ich trage mein Korsett prinzipiell jede Nacht. Ohne dieses verfalle ich in eine Schonhaltung und komme morgens kaum mehr aus dem Bett. Ich entledige mich dem Korsett nach ca. einer halben Stunde nach dem Aufstehen, so oft würde ich es aber lieber anbehalten.
Tagsüber trage ich das Korsett nach Bedarf und Wohlbefinden, vor allem aber dann, wenn ich mich lange nicht hinsetzen kann.

 

Muss ich mein Korsett verstecken?

Anfangs habe ich mein Korsett möglichst unter Kleidung getragen. Neben dem Umstand, dass sich die Wärme noch zusätzlich staut, wurde ich – Ihr kennt das alle – begleitet von Situationen, in denen es zu gewollten oder ungewollten Berührungen kommt.

Das Gegenüber macht einen verdutzten Eindruck wegen unserer “harten Schale”, und man weiß selbst nicht, ob man die Situation klären soll oder nicht. Ich hatte diese Umstände dermaßen satt, dass ich mich entschieden habe, mein Korsett mehrheitlich sichtbar zu tragen. Diese Entscheidung war natürlich einfacher als das Tun an sich.

Wie ich das zur Routine gemacht habe, möchte ich euch auf den Weg geben – denn Ihr schafft das ebenso!

 

Meine Herangehensweise

Vorerst habe ich mich im vertrauten Umfeld bewegt. So seltsam es sich anhören mag, man muss sich selbst zuerst mögen und gefallen lernen im Korsett! Als ich mich zum ersten Mal rauswagte, um einkaufen zu gehen, habe ich strikt auf das Mittragen einer Jacke verzichtet! Diese hätte ich anziehen können und so wohl mein Vorhaben eher nicht durchgezogen!

Ich weiß noch, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und wie beobachtet ich mich gefühlt habe. Mir war es alles andere als wohl. Ich wollte nicht aufgeben. Ein weiteres Mal habe ich mir absichtlich eine Situation gesucht, in der ich mit jemand Unbekanntem in den Dialog musste. Von Mal zu Mal gewann ich an Selbstvertrauen.

 

Kleiner Tipp: Sucht euch Tage aus, an denen Ihr vor Selbstvertrauen strotzt! Heute gehe ich selbstbewusst und ohne jegliche Scham nach draußen unter die Leute. Und das Unglaublichste ist, es schaut keiner mehr hin – denn es ist einfach normal!

Mein Fazit: Man fühlt sich nur beobachtet, wenn man selbst unsicher ist. Und denkt daran, die meisten schauen Euer Korsett unbewusst an und nicht um Euch irgendwie zu verletzten. Es ist ein ungewohntes Bild für jemanden, der das nicht kennt. Schenkt ihnen ein Lachen und es kommt eines zurück!

 

Die Akzeptanz in der Partnerschaft

Die Akzeptanz für unser Korsett muss aber auch in den eigenen vier Wänden stattfinden. Es darf kein Tabu-Thema sein! Dass sich auch für Menschen im Korsett, aus verschiedenen Gründen, gewisse Beeinträchtigungen in ihrem Sexualleben einstellen können ist denke ich normal.
Wie anfangs erwähnt, haben sich bei mir neben Blasenfunktionsstörungen auch Probleme der anderen Art eingefunden.

Beim Akt der Liebe, ich nenne es mal so, sind ja durchaus athletische Bewegungen üblich. Diese haben bei mir zu Schmerzreizungen geführt, die die Lust an der Fortführung des Aktes leider völlig verunmöglicht haben. Ich hatte mit der Zeit schon Angst, mich dabei gross zu bewegen. Für unsere Beziehung war dies ausgesprochen schwierig.

 

Aber das Verständnis meiner Frau war glücklicherweise groß, so war sie diejenige, die vorgeschlagen hat, dass ich zum Liebesakt mein Korsett anlege. Ich konnte es mir definitiv nicht vorstellen! Aber sie blieb dabei und meinte, lass es uns doch einfach mal ausprobieren! Es liegt in der Natur der Sache, es ging erst mal gar nichts. Allein schon die Korsettverschlüsse waren für unschöne Spuren verantwortlich zu machen… Wir haben nicht aufgegeben, suchten nach Möglichkeiten wie es funktioniert, dabei entstanden auch durchaus lustige Situationen.

Wir haben gelernt, mein Korsett einfach in unser Ritual einzubinden. Mit etwas Einfallsreichtum geht das wunderbar, und wir können auf diese Weise heute einfach nur genießen. Vielleicht hat mir mein grundsätzlicher offener Umgang mit dem Korsett dabei geholfen.

 

Meine Botschaft an Euch

Lasst Euch nicht durch ein Korsett oder Beschwerden die Lust verderben. Ich glaube besonders bei jüngeren Betroffenen ist diese Situation besonders belastend. Deshalb zeigt Eurer Partnerin oder Partner, dass Ihr neben der zwischenmenschlichen Liebe nicht auf eure anderen Bedürfnisse verzichten möchtet. Geht offen und respektvoll mit dem Thema um und lasst euch Zeit. Einfach mal ausprobieren, es tut uns allen gut!

 

Alles Liebe, bleibt immer selbstbewusst und stark,

Patrick

 

Kontakt

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Hier kannst du Conny von SkolioseHilfe kontaktieren.

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